Entschuldigen Sie, wenn ich etwas kurzatmig schreibe. Ich war nicht joggen – auch wenn ich das in Anbetracht meiner Fitness dringend einmal tun sollte. Ich bin bloss eben so schnell ich konnte die Strecke zum Spielplatz abgelaufen – das hohe Tempo musste ich vorlegen, weil mein 3-jähriger zuhause alleine auf mich gewartet hat. Und den Weg selbst, den musste ich zurücklegen, weil uns ein Teil eines McDonald-Spielzeuges fehlt. Sie fragen sich, was denn das für eine verantwortungslose Mutter ist, die ihr Kleinkind unbeaufsichtigt alleine lässt, während sie irgendwelchen wertlosen Schrott sucht? Gute Frage – würde ich mir auch stellen, wenn ich nicht die betroffene Mutter wäre. Und als diese war ich vorhin mit meinem Spross auf dem Spielplatz, wo er sich bestens vergnügt hat. Dummerweise hatte ich ihm erlaubt, sein neues Mc Donald's Spielzeug – ein Ding übrigens, das ich noch nicht einmal klar definieren kann – mitzunehmen. Und irgendwo auf dem Weg muss es dann passiert sein: ein kleines Plastikteil ist zu Boden gefallen und verschwunden. Bemerkt hat mein Sohn dies erst zuhause und seine Verzweiflung wächst seitdem von Sekunde zu Sekunde. Zuerst hat er mir versucht zu erklären, was denn das überhaupt für ein Teil ist. Und dann hat er elend jammernd mitgeteilt, dass er unglücklich ist, wenn er das Ding nicht wieder bekommt. Und dafür aber auch flugs eine Lösung gefunden: „Du musst suchen!". Und weil mir das Lebensglück meines Sohnes ja am Herzen liegt und ich nicht will, dass er mir eines Tages seine Psychotherapie vorhält, weil sein Spielzeug nicht mehr vollständig war, habe ich mich auf die Suche gemacht. Sie ahnen es bestimmt schon: ich habe nichts gefunden. Ist auch ein wenig schwierig, wenn man nicht einmal genau weiss, was man sucht...
Denkpause für Mami
Aber während ich gesucht habe, hatte ich Zeit, ein wenig zu denken. Meine Gedanken zuhause werden ja meist von irgendwelchem Geplapper unterbrochen und falls ich doch einmal irrtümlich fertig denken könnte, breche ich aus purer Gewohnheit mitten drin ab. Aber eben, da habe ich zu Ende gedacht. Und mich gefragt, weshalb in aller Welt ich eigentlich gerade im Regen nach irgend etwas suche, das ja eigentlich nicht ich verloren habe. Und weshalb ich eigentlich dauernd nach irgend etwas suchen muss, das ich nicht selbst verlegt habe? Wo sind die Turnsachen? Das Spielzeugauto? Der Teddy? Das Bio-Heft? Der Zettel, auf dem der nächste Garagentermin steht? Die zweite Socke? Das Playstation-Spiel? Der Hund? Eine endlose Liste von Fragen – und alle zielen bloss auf das eine ab: dass Mami sich in Bewegung setzt und findet. Wer genau hat eigentlich definiert, dass Mütter die „Gango's" sind? Weshalb muss Mami stets finden, holen, bringen?
Mami-Maschine
Ich bin weder mit einem Suchradar ausgestattet noch habe ich eine Ladefläche oder einen besonders breiten Rücken. Mein Gehör funktioniert zwar nicht schlecht, reagiert aber auf Schnipsen nicht. Meine Augen sehen ebenfalls recht gut, können aber nicht durch Wände hindurch wahrnehmen, was wo liegt. Meine Beine lassen langsam ein wenig nach – Spuren der Abnutzung. Und mein Tempo lässt gemäss meinen Kindern nun doch etwas zu wünschen übrig. Vielleicht liegt das aber ganz einfach daran, dass ich mein Innerstes dagegen sperrt, auf Befehl hin zu dienen. Schliesslich bin ich ja keine Maschine, die bei Bedarf angeschaltet wird und alle Dienste erbringt, die gerade erwünscht sind. Und die man dann ausschaltet, wenn man keinen akuten Bedarf mehr hat oder aber die „Maschine" gar am Ende eigene Bedürfnisse anmeldet!
Mami, der Mensch
Vielmehr bin ich ein Mensch mit Gefühlen und Wünschen. Mit einem eigenen Leben, das man nicht immer rasch unterbrechen kann, wenn es jemand anderem danach verlangt. Ja, vielleicht haben Sie recht: ich bin ja selbst schuld! Wenn ich meinen Kindern (und meinem Mann, aber das ist ein anderes Thema...) beigebracht hätte, dass ich nicht deren Sklavin bin, dann müsste ich mich nun nicht mit diesen Problemen herumschlagen. Aber wissen Sie was – ich bin auch nur ein Mensch! Und als solcher versuche ich, es meiner Familie gut gehen zu lassen. Und unterstütze gerne alle bei ihren Aufgaben. Und wenn diese Aufgaben mit suchen/holen/bringen zu tun haben, tja, dann muss ich da durch – zum Wohl meiner Familie. Und damit dann zu guter letzt ja zu meinem eigenen Wohl – denn geht's den anderen gut, geht's auch mir gut. Und jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen, ich muss los, zu Mc Donald's (vielleicht finde ich dort ja auch gleich meinen Verstand wieder ;-)
Ihre Anna Schreiber , muetter.ch
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